SPD – Den Mut verloren

Scheiße, wieder verloren. Heute hat allerdings nicht nur die SPD verloren, sondern gleich das ganze Land. Die AfD sitzt dick und breit im nächsten Bundestag. Das nächste Endspiel um die Demokratie hat begonnen. Das Deutschland das letzte in den 1930ern verloren hat, sollte motivieren, macht aber eher depressiv. 

Dieser Text ist eine Beschreibung meiner ganz persönlichen Ohnmachtserfahrung in der deutschen Demokratie und insbesondere mit meiner Partei, der SPD. Ich veröffentliche ihn heute, weil es vor der Wahl heißt, man solle nicht kritisieren. Ich erahne schon die ersten Stimmen, die genervt antworten: „Nachher kritisieren kann jeder. Warum haste das nicht vor der Wahl gesagt?!“ – Warum? – Weil es unerwünscht ist. Vor der Wahl wie nach der Wahl. Ich habe aber keine Lust mehr, die Fresse zu halten.

Die SPD hat die dritte Klatsche am Stück bekommen. Drei mal haben wir krachend verloren. Das erste Mal mit Frank-Walter Steinmeier. Das zweite Mal mit Peer Steinbrück. Das dritte Mal mit Martin Schulz. Jedes Mal hieß es vor der Wahl, wir hätten das beste Programm seit Willy Brandt. Jedes Mal hieß es schnell nach der Wahl, wir hätten die richtigen Inhalte gehabt, sie wären nur schlecht verkauft worden.

Nein, verdammte Scheiße, nein. Wir haben nicht die richtigen Inhalte. Das, was wir fordern, verliert sich so dermaßen im Detail, dass ich selbst als Parteimitglied kaum aufsagen kann, wofür wir eigentlich antreten. Wir trauen uns nichts, weil wir uns eingemauert haben in Posten und Privilegien. Jeder Vorschlag in unseren Reihen wird von Juristen und Bürokraten so lange zerredet, bis nichts mehr davon übrig ist. Unser Programm 2017 fühlte sich an, wie ein staubiger Leitzordner aus dem Archiv eines Ministeriums.

Die harte Wahrheit

Wir haben uns klinisch tot regiert.

Was mich am meisten in den Wahnsinn treibt, ist unser eigenes Interesse an Demoskopie. Diese schiere Gier danach, neue Zahlen zu bekommen, was die Deutschen denn so wollen. Der schlimme Fehlschluss daran ist, dass Demoskopie immer nur abbilden kann, was schon ist. Sie kann nicht schauen, was mehrheitsfähig wird. Wir haben völlig den Anspruch verloren, das Volk zu bewegen. Wir wollen nur noch Fähnchen im Winde sein.

Es muss doch möglich sein, Ziele und Pläne zu formulieren, die wir für richtig halten. Unsere ausführliche Diagnose, woran diese Gesellschaft wirklich krankt, um dann einen Therapieplan auf den Tisch zu legen. Stattdessen fragen wir Menschen, die nur sehr subjektiv auf ihre eigene Lebenslage schauen, wo es weh tut. Dann geben wir ein bisschen Salbe drauf. So wird das aber nichts!

Politik erschafft eine eigene Realität. Wenn ihr es bis jetzt nicht geglaubt habt, dann schaut verdammt nochmal auf das Ergebnis von AfD und FDP. Beide Parteien sind mit Thesen gestartet, die niemand für richtig hielt. Beide Parteien sind mit Diagnosen über den Zustand unserer Gesellschaft nach vorne geprescht, die demoskopisch nicht hätten erhoben werden können. Denn beide Parteien – so unähnlich ihre Thesen auch waren – haben sich zum Arzt erklärt, der korrekte Diagnosen anstellt und passende Therapien vorschlägt, statt sich treiben zu lassen von immer neuen Umfragen dazu, welche Krankheit die Patienten meinen zu haben.

Ich will endlich wieder eine SPD, die mutig lebt. Eine, die auf Deutschland und Europa schaut und laut sagt, woran es eigentlich krankt. Die passend zur Krankheit eine Therapie entwickelt und echte Heilung verspricht. Aber ich ahne, in den nächsten zwei Wochen starrt ihr wieder auf die Zahlen der Demoskopen, welche Themen jetzt wichtig sind. Vielleicht denkt ihr mal drüber nach, warum es die Themen von AfD und FDP geworden sind.

 

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