Verstreikt! Warum Weselsky einen Fehler macht
Das Streikrecht ist durch unsere Verfassung geschützt. Es ermächtigt die Masse der abhängig Beschäftigten gegen die wenigen Besitzenden. Im Fall der Bahngewerkschaft GDL bewirkt der Streik jedoch das Gegenteil. Jede Stunde Streik macht den Bahn-Vorstand stärker. Die GDL hat sich verstreikt.
Am Wochenende versinkt ganz Deutschland wieder im Chaos. Die Lokführergewerkschaft GDL streikt und alle Züge stehen still. Zehntausende Menschen kommen nicht ans Ziel und aller Orten sind die Bahnkunden sauer.
Dass die Kunden sauer werden, ist durchaus Ziel eines jeden Streiks. Was sonst könnte die Geschäftsleitung bewegen, auf die Forderungen der Beschäftigten einzugehen? – Nur in diesem Fall sieht die Sache anders aus. Die breite Bevölkerung ist nicht sauer auf den Bahn-Vorstand, sondern auf die Streikenden.
Die GDL handelt wider ihre Ziele
Der Bahnkonzern ist in einer besonderen Lage. Er gehört zu 100 Prozent der Bundesrepublik Deutschland. Damit ist der Eigentümer unbegrenzt liquide. Jede notwenige Kapitalerhöhung zum Ausgleich von Verlusten würde erfolgen, weil der deutsche Staat sich eine Insolvenz der Deutschen Bahn AG nicht leisten kann.
Die Bahn ist nur begrenzt erpressbar. Das sorgt dafür, dass ein Streik bei der Bahn anderen Gesetzmäßigkeiten folgen muss. Es gilt nicht die Formel „Streikkasse versus Verlustbereitschaft“ wie im Fall von anderen Unternehmen. Bei der Bahn lautet die Formel „Streikkasse versus volkswirtschaftlicher Schaden“.
Besonders bei dieser Formel ist, dass sie nicht die Deutsche Bahn AG in Geiselhaft nimmt, sondern die gesamte Wirtschaft. Umso wichtiger ist es, dass die Forderungen der Bahngewerkschaft von einer breiten Öffentlichkeit als legitim anerkannt werden und damit der Druck auf die Politik wächst, auf den Bahn-Vorstand einzuwirken, diesem Druck nachzugeben.
Erinnern wir uns an den letzten erfolgreichen Streik der Lokführer. Damals wurde der Güterverkehr bestreikt. Die Öffentlichkeit blieb gegenüber der GDL grundsätzlich bereit, deren Anliegen zu unterstützen und die Unternehmen machten extremen Druck auf die Politik, endlich zu einer Lösung zu kommen, um deren Produktionsketten nicht völlig lahm zu legen.
Der aktuelle Streik der GDL löst das Gegenteil aus. Die Bevölkerung entsolidarisiert sich mit der Gewerkschaft, die Wirtschaft macht keinen Druck auf die Politik. Nicht, weil die Forderungen als überzogen betrachtet werden, sondern weil das los gehen der GDL auf die Bevölkerung nicht goutiert wird.
Erfolgreich streikt sich’s nur gemeinsam
Bei der Bahn tobt ein Machtkampf unter den Gewerkschaften. Die kleine GDL hat der großen EVG den Kampf angesagt und versucht mit aller Kraft zur stärksten unter den Bahn-Gewerkschaften aufzusteigen. Dieser Kurs ist gefährlich, denn ohne die Unterstützung der Bevölkerung für die Arbeitnehmerinteressen entsteht Druck auf die Politik, der Gewerkschaft Einhalt zu gebieten.
Die GDL manövriert sich und damit viele kleine Gewerkschaften auf ein gefährliches Terrain. Der Eigentümer der Bahn ist nämlich nicht nur unendlich liquide, er ist zugleich Gesetzgeber. Seine Macht im Arbeitskampf ist nahezu unendlich groß, wenn die Bevölkerung keinerlei Verständnis für die Streikenden aufbringt.
Verständnis haben die Bürgerinnen und Bürger des Landes in der Vergangenheit immer wieder bewiesen. Sie haben – zwar murrend aber dennoch – akzeptiert, dass auch Bahnbedienstete für bessere Arbeitslöhne und -bedingungen eintreten dürfen. Dies gelang immer dann, wenn in einer gut koordinierten und öffentlich breit erklärten Aktion gemeinschaftlich mit allen Gewerkschaften gestreikt wurde. Mit diesem Kurs hat die GDL gebrochen.
Die GDL wird sich nicht aufhalten lassen. Sie wird mit dem aktuellen Streik eventuell erneut einen Erfolg erzielen. Ein Erfolg, der sich schon bald als Phyrrhussieg erweisen wird. Mit jedem Alleingang der GDL steigt der Druck der Bevölkerung auf die Politik, diese Gewerkschaft zu stoppen. Gemeinhin gibt die Politik einem solchen Druck nur all zu gerne nach.
Stoppen können die GDL nur ein Streikverbot für Spartengewerkschaften duch den Gesetzgeber oder aber die Bahnbeschäftigten selbst. Zu ihrem eigenen Vorteil sollten sie Druck auf die GDL ausüben, sich endlich wieder mit den anderen Bahn-Gewerkschaften auf einen gemeinsamen Kurs zu einigen. Denn ein solcher gemeinsamer Kurs hat als einziger das Potential Solidarität in der Bevölkerung auszulösen und damit die Politik als übermächtigen Gegenspieler Schach Matt zu setzen.