Wer nicht denkt, lernt: Nichts!

Aktuell auf Spiegel-Online findet sich mal wieder die allenthalben vor gebrachte Abrechnung einer Studentin mit ihrem Lehramtsstudium unter dem Titel „Wir lernen: Nichts„. Am Ende hat natürlich nur die Uni Schuld und nicht die Autorin – ich bin mir sicher, sie liegt falsch. 

Ich habe selbst auf Lehramt studiert und ich unterrichte an der Uni Tübingen immer mal wieder ein Seminar in Schulpädagogik. Ich liebe das Lehren, auch wenn ich von Beruf nicht Lehrer geworden bin. Lehre ist etwas wunderbares, denn sie fordert von mir selbst ein, dass ich komplexeste Inhalte durchdringe, verstehe, abstrahiere, verkürze und neu zusammenfüge, damit jemand anderes angeregt wird, sich eigene Gedanken zu machen. WOW, was eine schwere und zugleich wunderbare Aufgabe.

„Ich will nicht behaupten, dass Lehrerin mein Traumjob war“, schreibt Larissa Sarand (Jahrgang 1988) auf Spiegel-Online. Ohje, wieso genau folgt sie nicht ihrem Traum? Was ist denn das wofür sie immer brannte? Wie soll diese Frau, die nicht unterrichten möchte, unterrichten?

Mich nervt es und es macht mich wirklich wütend, wenn Leute Lehrer werden, die das gar nicht wollen. Lehrer ist eben kein Beamtenjob wie jeder andere. Wer nicht mit aller Leidenschaft, mit Haut und Haaren Lehrer oder Lehrerin wird, der oder die soll es bitte, bitte sein lassen.

Wozu das Lehramtsstudium dient

Das Lehramtsstudium dient der Horizonterweiterung weit über die Schule hinaus. In allen Vorlesungen und Seminaren soll das komplexe Denken gefördert werden. Dabei ist gänzlich – wirklich gänzlich egal, ob man das, was man dort lernt unmittelbar im Unterricht verwenden kann. Oder sollte die Uni sich auf das Vorformulieren von Arbeitsblättern für die gymnasiale Oberstufe konzentrieren?

Die Kritik der Lehramtsstudieren wendet sich auch selten gegen ihr eigenes Fach, sondern meist gegen die schulpädagogischen Veranstaltungen. Man würde dort nur unterschiedliche Theorien um die Ohren gehauen bekommen. Es gäbe ja keine ausreichenden Anleitungen. Echt jetzt? – Es soll eine Anleitung zur Erziehung junger Menschen geben? Wie soll die denn aussehen – wie ein Arbeitsblatt?
– Wenn Kaugummi im Mund, dann A.
– Wenn keine Hausaufgaben, dann B.
– Wenn Mitschüler beim Amoklauf erschossen wurde, dann C.

Ernsthaft? – Ist euch das nicht zu devot, zu erwarten, eine Autorität möge euch den richtigen Plan vom Unterrichten geben? – Wo bleibt eure Phantasie, wo bleibt euer eigener Wissensdurst?

Aus Verlegenheit

„Wie viele andere habe ich mich aus Verlegenheit für dieses Studium entschieden“, schreibt sie. – Eine ehrliche Selbstanalyse, aber dann bitte nach der Analyse auch die Konsequenz: NICHT LEHRER WERDEN!

Wir brauchen keine Menschen ohne Leidenschaft für den Beruf in der Schule. Wir brauchen niemanden, der nicht begeistert auf junge Menschen zu geht. Wir brauchen Lehrerinnen und Lehrer, die aufgrund vielfältigster Erfahrungen mit Jugendlichen in der Lage sind unter Rückgriff auf pädagogische Theorien ad hoc pädagogisch sinnvoll zu intervenieren. Kein Uni-Seminar kann das leisten, sondern nur Praxis.

Ich höre sie schon wieder alle schreien „aber es gibt keine Praxis in unserem Studium“. – Ähm ja, man könnte ja auch mal selbst was in die Wege leiten. Ich habe mein gesamtes Lehramtsstudium junge Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr begleitet. Ich habe Jugendarbeit gemacht und Veranstaltungen mit Jugendlichen moderiert. Ganz ehrlich, Praxis kann man sich verschaffen, oder man verschanz sich in einer Bibliothek. – Wenn man den Willen nicht verspürt, mit jungen Menschen zu arbeiten, dann bitte lieber nicht Lehrer werden!

Übrigens liegt in der Aussage, es fehle die Praxis auch ein analytischer Fehlschluss. Das Studium dient der theoretischen Fundierung, das Referendariat dient der praktischen Erprobung. Daher folgt eine lange Phase der praktischen Einführung direkt im Anschluss auf das Studium in der Lehrerbildung. – Könnte man anerkennen, oder man beschwert sich auf Spiegel Online.

Ich höre Eure Klagen immer wieder. Ich glaube, ihr habt alle Recht. Es gibt aber auch eine einfache Lösung: Mutig nicht den Job wählen, den man nicht will.

Rechtschreibfehler dürfen Lehrerinnen und Lehrer gerne behalten.

 

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