Seehofers Spiel mit vier Millionen Opfern

Horst Seehofer will nicht weichen. Wie weit der 68jährige bereit ist zu gehen, um an der Macht zu bleiben, hat er in dieser Woche eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Er ist bereit, vier Millionen Opfer zu bringen. 

Horst Seehofer ist schon zu lange in der Politik. Er ist neben Angela Merkel der einzige Spitzenpolitiker im Jahr 2018, der bereits unter Helmut Kohl Minister in der Bundesregierung war. Kohl wurde vor 20 Jahren abgewählt.

In der CSU möchte man am liebsten die Köpfe auf die Tische schlagen, weil Seehofer nicht weichen will. Lange konnte er sich der Unterstützung vieler einflussreicher Kreise in der CSU in seinem Kampf um seinen Posten gewiss sein. Schließlich galt es für alle, gemeinsam Markus Söder zu verhindern. Dieser Kampf ist verloren. Söder ist Ministerpräsident.

Jetzt stört Seehofer nur noch. Er stört als CSU-Vorsitzender, weil er die Wahlkampfmaschine der Partei in Bayern lähmt. Er stört als Bundesminister, weil er seine Dauerfehde mit Angela Merkel nicht beendet, die für CDU und CSU jeweils gewaltige Stimmenverluste bei den vergangenen Bundestagswahlen zur Folge hatte.

Seehofer ist ein verbohrter, alter Mann, der mit aller Macht seine eigene Partei zerstört. Er ist der Lafontaine der CSU.

Söder Übertönen

Seehofer will nicht wahr haben, dass seine Zeit vorüber ist. Deshalb sichert er mit seiner ganzen Kraft für sich den CSU-Vorsitz und versucht die Deutungshoheit über die CSU-Politik zu behalten.

Die Deutungshoheit über die CSU wird in Frage gestellt von seinem Nachfolger als Ministerpräsident. Söder gibt in München in der Regierung nun den Ton an und hat damit alle Mittel, sich zur Stimme der bayerischen Konservativen zu machen. Seehofer versucht das zu verhindern.

Deshalb entschied er sich just am Tag der Wahl von Söder zum Ministerpräsidenten dazu, den einen Satz zu sagen, von dem man in Deutschland weiß, dass er sofort zur Headline aller Zeitungen wird: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“

Es ist ein Satz, der die Gesellschaft spaltet. Als Seehofer nun am Tag der Wahl von Söder diesen spaltenden Satz aussprach, wusste er ganz genau, was passieren würde. Sein Berliner Getöse würde Markus Söder in Bayern übertönen. Genau das war der Plan. Söders Wahl zum Ministerpräsidenten bekam fast niemand mehr mit und Seehofer bleibt damit vorerst die starke Stimme der CSU in Deutschland.

Reihen schließen durch das Feindbild Merkel

Seehofer ist ein alter Hase in der Politik. Er weiß genau, wie das Geschäft läuft. Seine Provokation richtete sich nicht allein gegen Muslime und alle Kräfte, die sich gegen eine völkische Denkweise stellen. Seine Provokation richtete sich auch gegen die CDU. Denn der Satz Seehofers ist sehr bewusst die genau Umkehr eines CDU-Satzes ins Gegenteil.

„Der Islam gehört zu Deutschland“ ist ein Satz, der erst von CDU-Altvorderen Wolfgang Schäuble formuliert und dann vom CDU-Bundespräsidenten Christian Wulff bekannt gemacht wurde. Jede andere Formulierung hätte die CDU Seehofer durchgehen lassen können. Diesen einen jedoch nicht. So trat die Kanzlerin auf den Plan und widersprach ihrem frisch ernannten Minister Seehofer.

Auch in der CSU funktionieren gruppendynamische Prozesse. Wenn Merkel Seehofer aufgrund seiner bewussten Provokation zu Recht weisen muss, dann sammelt sich die gesamte CSU hinter ihrem Vorsitzenden. Kaum hatte Merkel sich zu Wort gemeldet, um die eigene Partei zu verteidigen, meldeten sich die großen in der CSU, um ihrem Vorsitzenden den Rücken zu stärken. Selbst Söder musste bekennen, er stimme mit seinem Vorsitzenden überein.

Damit war für Seehofer alles erreicht, was er wollte. Söders Profilierung ist erneut aufgeschoben, er selbst dominiert die Schlagzeilen, seine Partei muss seinen Machtanspruch stützen und Söder muss sich unter den Parteisoldaten hinter Seehofer einreihen.

Der alte Mann ist einmal noch der Starke.

Angriff auf die SPD

Nachdem Seehofer mit seinem Angriff auf die CDU erzwungen hatte, dass seine Partei sich hinter ihm sammelt, ändert er die Angriffsrichtung. Heute wendet sich Seehofer gegen den Koalitionspartner SPD. Diese solle sich nicht an seinen Sätzen abarbeiten.

Dieses Wendemanöver setzt er, um den Streit nachdem er die CSU hinter sich gesammelt hat, aus den Reihen der Union heraus zu tragen. Indem er nun die Sozialdemokraten wendet, kann er sich sicher sein, dass auch Teile der CDU auf seine Linie einschwenken. Damit beschädigt er zugleich die Kanzlerin, die keine geschlossene Partei hinter sich sammelt und stärkt seine Position innerhalb der gesamten Union.

Vier Millionen Opfer

Die Opfer von diesem Machtspiel eines 68jährigen, der einfach nicht akzeptieren will, dass seine Zeit vorüber ist, sind vier Millionen Menschen muslimischen Glaubens. Sie sind zum Spielball eines Machtkampfes innerhalb der CSU geworden. Sie sind die Opfer eines Egotrips.

Die Wirkung solcher Debatten darf man nicht unterschätzen. Muslime sehen sich heute schon vielfältigen Anfeindungen gegenüber. Sie werden von wildfremden Menschen auf der Straße angepöbelt. All diesen Handlungen verleiht Seehofer Legitimität. Denn Seehofer sagt nicht, was die Konsequenz seines Satzes „der Islam gehört nicht zu Deutschland“ sein sollte. Er redet sich heraus, dass er ja nur eine kulturhistorische Beschreibung abgegeben habe. Damit ziehen die Konsequenzen andere.

Gefährlich ist die öffentliche Abgrenzung von Gruppen immer besonders dann, wenn sie nicht verknüpft ist mit einem konkreten Programm. Denn solange der Autor einer Abgrenzung nicht formuliert, was aus dieser notwendigerweise zu folgen hat, ziehen die Adressaten ihre ganz eigenen Schlüsse. Manche rechtfertigen auf dieser Basis dann aktive Handlungen gegen „den Islam“, weil dieser schließlich – wie nun selbst der Innenminister bestätigt hat – wohl nicht zu Deutschland gehöre.

Seehofer ist lange genug in der Politik um darum zu wissen, welche Wirkungen Abgrenzungen erzielen. Er weiß, dass er keinen Aktionsplan aus seinem Satz heraus entwickeln kann, der nicht sofort vom Bundesverfassungsgericht kassiert würde. Er weiß, dass sein Satz bloße Rhetorik ist – nur leider ziehen die Konsequenzen jetzt mal wieder Radikale auf der Straße.

Seehofer hängt an der Macht. Er hängt so sehr an ihr, dass er vier Millionen Menschen in unserem Land opfert.

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