Fest der Liebe – Was ein Quatsch!

Überall kann man es lesen: Weihnachten, das Fest der Liebe. Mit der theologischen Grundlage des Weihnachtsfestes hat das wahrlich wenig zu tun. Weihnachten ist nicht das Fest des Miteinanders und der Familie, sondern ein Gedenken an Missgunst, Verfolgung und an die Ausgrenzung in der bürgerlichen Gesellschaft. 

Die Christenheit in Deutschland leidet an einer theologischen Substanzlosigkeit, die den Glaube mehr und mehr zum netten Beiwerk macht. Wir werden eingelullt von „Gott ist die Liebe“-Gesängen und einem schwülstigen Gerede vom guten Miteinander und der Bedeutung der Familie. Wenn ich ehrlich bin, ich ertrage es kaum. Es nervt mich, weil es den Blick verstellt auf die wunderschöne, aber gleichsam verstörende Botschaft des Weihnachtsfestes.

Diese Selbstauslieferung Gottes ist es, die das Christentum besonders macht. Es ist die einzige Religion, in der Gott nicht nur Allmacht, sondern auch Ohnmacht zugesprochen wird. Gott kommt nicht als König in die Welt. Gott kommt nicht als reicher Mann in die Welt – nicht als großer unter den großen, sondern entscheidet sich für eine Existenz am Rande der Gesellschaft.

Damit unterstreicht schon die Geschichte von der Geburt Gottes als Mensch, dass dieser sich nicht mit den bürgerlichen Schichten, die heute im Wesentlichen die Kirchen füllen, solidarisiert. Die gläubigen, bürgerlichen und oftmals konservativen Christen sind nicht der Fixpunkt des christlichen Gottes, sondern die Projektionsfläche seiner Gesellschaftskritik.

Schaut auf die, die nicht kommen, um zu huldigen. 

Weihnachtspredigten verführen zu schnell dazu, den Blick auf die Hirten und Weisen aus dem Morgenland zu wenden, die zusammen kommen, um den Gott-Mensch anzubeten. Dabei bleibt allzu oft außerhalb der Wahrnehmung, wer alles nicht kommt. Es kommen nicht die lokalen Fürsten, es kommt nicht die bürgerliche Gesellschaft, es kommen nicht die Handwerker und Bildungseliten. Um das Kind in der Krippe versammelt sich der Rand der Gesellschaft und die Ausländer. Es treffen sich nur Menschen, die nicht die Mitte oder Elite der Gesellschaft bilden. Es versammeln sich alle, die große Teile der Gesellschaft am liebsten wieder los hätten. Gott selbst zählt sich zu denen, die man weg und aus dem Blick haben oder gar des Landes verweisen will.

Die gesellschaftliche Mitte und die herrschenden Eliten erscheinen nicht nur nicht bei der Geburt Gottes, nein, sie werden zu Abweisenden und Verfolgern. Die Gastwirte verwehren Maria und Joseph das Obdach. Der Territorialfürst lässt den Gott-Mensch gar mit dem Tode bedrohen und zwingt die heilige Familie zur Flucht nach Ägypten.

Gott kommt in die Welt und wird ausgestoßen und verfolgt. Er wird im Dreck geboren zwischen Tieren und in bitterer Kälte. Er will nicht Teil der Bürgerschaft sein. Er zieht eine elendige Geburt einer verlogenen vor.

Wieso nennt man das ein Fest der Liebe? 

Die westeuropäische Weihnachtstradition erscheint bezogen auf den eigentlichen Inhalt der Geschichte geradezu zynisch. Die Menschen ziehen sich in den intimen Kreis der Familie zurück. Sie schließen sich ab gegenüber dem Rest der Gesellschaft. Sie schließen sich insbesondere ab gegenüber Fremden. Zurück bleiben einzelne, einsamen Menschen, die keinen Anschluss haben. Der Aussatz der Gesellschaft. Menschen, bei denen die Selbstmordrate an Weihnachten besonders hoch ist. Menschen, in deren Mitte sich Gott hat gebären lassen.

Würden wir Weihnachten in seinem Kern ernst nehmen, dann müsste der Fokus sich auf den Rand der Gesellschaft verschieben. Weg von den Einkaufszentren und Weihnachtsmärkten, weg von den Geschenkebergen und dem guten Essen – hin zu Flüchtlingen und Armen und zwar nicht als Randerscheinung, sondern als dominanter Teil des weihnachtlichen Gedenkens. Nicht nur spenden, sondern eigene Türen öffnen.

Es ist das Fest der Ohnmacht.

Das Christentum überfordert schnell. Denn es verstört mit radikalen Bildern. Wer will schon Fremde und Ausgestoßene ausgerechnet an Weihnachten zu sich einladen? Das Christentum hält immer der gesellschaftlichen Mitte den bitterbösen Spiegel vor. Ein Glück für uns, wir haben Wege gefunden, das komplett zu ignorieren.

Dabei ließe sich in jener echten Weihnachtsbotschaft so viel Gnade, so viel Großmut Gottes erkennen. Das ohnmächtige und ausgestoßene Kindlein bricht nicht mit der Welt. Gott, der als Mensch nur Verfolgung erfährt, entfremdet sich nicht von den Menschen. Gott bleibt treu, egal ob er verstoßen, verfolgt, abgewiesen oder am Ende brutal ermordet wird.

Es ist die Botschaft eines Gottes, der sich selbst ohnmächtig werden lässt. Der deutlich macht, dass er die charakterlichen Schwächen der Menschen nicht zum Anlass nimmt, sie zu verstoßen, der aber gleichsam deutlich macht, dass seine Solidarität nie auf Seiten der Mächtigen, der Erfolgreichen, der Reichen, der Schönen, der Beliebten ist, sondern der einfordert, den Fokus auf die Ränder der Gesellschaft zu verschieben.

Mit dieser Botschaft im Herzen, könnte Weihnachten ein echtes Fest der Liebe und Versöhnung werden. Nämlich dann, wenn die Menschen sich nicht einigeln in familiären Inseln der Glückseligkeit, sondern ganz existenziell sich selbst zu denen begeben, die ausgestoßen sind.

Ein frommer Wunschtraum wohl – Deutschland schaut lieber die Helene Fischer Show und lullt sich bei Kerzenschein ein mit romantischen Liebesbekundungen im engsten Familienkreis.

 

P.s.: Zur Ehrlichkeit gehört, dass ich natürlich auch den Verführungen des Weihnachtsfestes erliege – mich mit der Familie einigle, leckeres Essen esse und fataler Weise auch noch weiß, dass es nicht richtig ist, aber schön.

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