Eine Kirche gegen Hunger und Durst
Ich weiß, ich bin in der Kirche der Mensch für’s Oberflächliche. Ich achte auf das, was man sehen und hören kann. Genau deshalb habe ich einen Vorschlag. Lasst uns aus jeder katholischen Kirche ganz oberflächlich eine Kirche gegen Hunger und Durst machen. Bringen wir an jedem Gotteshaus außen einen Wasserhahn und einen unverschlossenen Schrank mit Essen für jeden Menschen an, der es braucht.
Ich denke von Beruf über Oberflächen nach. Wie kann man etwas formulieren, wie lässt sich etwas gestalten, so dass es verstanden wird? Mit genau dieser Sicht schaue ich auf die Kirche und verstehe vieles nicht. Die Symbole sind oft schwer zu entschlüsseln, die Kommunikation oft irritierend zu viel- oder nichtssagen. Deshalb will ich meinen Beitrag leisten, die christliche Botschaft einfacher zu formulieren. So, dass sie jeder Mensch versteht.
Das Christentum ist die Religion, die so sehr wie keine andere die Nahrung in den Mittelpunkt rückt. Das Zentrum eines katholischen Gottesdienstes bildet weder Meditation noch Gebet noch Predigt noch Musik, sondern das gemeinsame rituelle Mahl. Ein Speisen in Verbundenheit mit Gott, das geistig und körperlich satt machen soll.
Ob man in einem katholischen Gottesdienst geistig satt wird, darüber scheiden sich längst die Geister. Dass man in einem Gottesdienst sicher nicht mehr körperlich satt wird, ist gewiss. Denn aus dem Brot, das man zusammen isst, ist im Lauf der Zeit eine winzig dünne Hostie geworden. Satt wird davon niemand mehr. Schade!
Der Gedanke, dass man in der Kirche satt wird, war ein guter und biblisch fundierter. Wenn Jesus in der Bibel zur Predigt lädt, dann sorgt er auch für die Speisung all der Vielen. Wenn Jesus seine Jünger bekehrt, dann hilft er ihnen erst einmal beim erfolgreichen fischen. Wenn Jesus seine engsten Begleiter zusammenruft, dann bricht er mit ihnen das Brot und macht sie satt – immer erst körperlich und dann geistig.
Essen umsonst. Trinken umsonst.
In Deutschland gibt es Menschen, die hungern. Menschen, die hier illegal leben, Menschen, die sich schämen Sozialhilfe anzunehmen, Menschen, denen alle Leistungen nach Hartz 4 gestrichen wurden, manche Studierende hungern am Ende des Monats. Hunger ist real in unserer Gesellschaft. Wäre es nicht schön, wenn jede Kirche satt macht?
Natürlich gibt es kirchliche Armenspeisungen und Tafeln. Das sind großartige Einrichtungen, die dafür sorgen, dass Menschen sich besser versorgen können. Zu finden sind sie oft in Städten. Auf dem Dorf ist es mit dem Hunger oftmals noch viel schwerer. Wer gibt schon gerne zu, dass das letzte Nudelpäckchen Vorgestern zur Neige ging und der neue Monat und damit das neue Geld erst in zwei Tagen beginnt und kommt?
Stellen Sie sich also vor, wir würden die Theologie des „satt machens“ ernster nehmen. Stellen Sie sich vor, wir würden etwas schaffen, worauf sich jeder Mensch verlassen kann:
– Einen kostenfreien Trinkwasserhahn außen an jeder katholischen Kirche, damit jeder Mensch, der Durst hat einfach dort eine Flasche füllen kann.
– Einen Schrank außen an jeder Kirche, den man immer mit Nudeln und Reis befüllt, damit jeder Mensch, der hungert in der Kirche einen Ort findet, um satt zu werden.
Ein Modell, das man nicht nur an einem Ort erprobt, sondern das zu den garantierten Leistungen der katholischen Kirche zählt – überall. So dass ich nur Ausschau halten muss, wo der nächste Kirchturm ist, um dort meinen Durst zu stillen. So dass ich nur fragen muss, wo ist die katholische Kirche, wenn ich nicht weiß, wie ich die nächsten zwei Tage meine Kinder ernähren soll. Eine Kirche, zu der man gehen kann, wann immer man Not verspürt.
Wie geht das praktisch?
Zu schnell stellt sich bei jedem Vorschlag in der Kirche die Frage der Kosten. Wer soll das bezahlen? 39 Cent kostet eine Packung Spaghetti. 100 Stück davon kosten 39 Euro. Wieviel gibt die Gemeinde pro Monat für Blumenschmuck aus? Wieviel für die Deko ihrer Kirche? Was ist uns ein hungernder Mensch weniger wert?
Eine Kirche, die satt machen will – geistig wie körperlich – die kann auf manchen Schmuck verzichten, wenn sie im Gegenzug Nahrung geben kann und vielleicht kann sie es auch wagen zu fragen, ob nicht die Mitglieder der Gemeinde auch etwas in den Schrank stellen wollen. Ob es nicht zu unserer Tradition werden kann, dass jeder Mensch, der geben kann, etwas gibt für diejenigen, die zu wenig haben.
Ein Bedenken wird schnell kommen: „Was ist, wenn sich jemand Nudeln nimmt, der eigentlich keine braucht?“ Lassen Sie mich gleich die Antwort geben: Dann ist es so.