Die Kirche verreckt an ihrer Sprache
Sorry, liebe Theologen, aber ich halte es nicht aus, wenn ihr sprecht. Es ist so oft so furchtbar. Verschrobene, gefühlsduselnde Wortbilder reiht ihr aneinander und wundert euch, warum das niemand hören will. Ständig diese in den Achtzigern hängen gebliebenen Fragen nach dem Sein und dem Sinn, nach dem wer ich bin und werden könnte, wenn ich denn zuließe, dass ich werde, was ich schon längst war. Hä? – Ach bitte, lasst mich doch mit so was in Ruhe.
Wir leben in der Zeit des Samplings, der zerfetzten Identitäten, der Multiperspektivität und nicht zuletzt in der Zeit der subtilen Ironie. Hier ist kein Platz für erdrückende Ganzheitlichkeit. Allein schon das Wort Ganzheitlichkeit – drei zusätzliche Silben, um das bereits ganze Wort „ganz“ noch gänzer zu machen. Mal ehrlich, ganz kann man nicht steigern und seit mindestens fünfzehn Jahren will der Mainstream unserer Gesellschaft diesen Versuch aus gutem Grund nicht mehr unternehmen.
Wo lernt man das eigentlich? Wo muss man hingehen, um beigebracht zu bekommen, die Betonung im Satz an der genau falschen Stelle zu setzen? Gibt es Rhetorikkurse für Zombie-Sprache für Predigten in Kirchen? Ich meine das ganz ernst, wenn man mit euch ein Bier trinkt, dann klingt ihr ganz normal. Sobald ihr in einer Kirche in offizieller Funktion sprecht, wird’s plötzlich scheiße. Wieso denn eigentlich?
Noch schlimmer als Juristen
Ich kenne nur eine weitere Gruppe, die auch so eine ganz seltsame Sprache hat: Juristen. Die geben sich auch Mühe, möglichst nicht verstanden zu werden. Zugegebenermaßen ist das aber genau deren Geschäftsmodell. Am einen Ende übersetzen Juristen allgemeinverständliche Überlegungen in unverständliche Gesetzestexte, um am anderen Ende Juristen Arbeit zu verschaffen, die für den einfachen Menschen wieder die Rückübersetzung vorzunehmen. Brilliant gemacht, so geht denen niemals die Arbeit aus.
Für euch Theologen ist doch das Problem, dass es keine Notwendigkeit gibt, euren Übersetzungsdienst ins Unverständliche in Anspruch zu nehmen. Die Kirche wurde aus ihrer gesellschaftlich-juristischen Schlüsselposition verdrängt und damit gibt es keinen Grund mehr unverständlich sein zu wollen. Es ist geradezu dumm nicht verstanden zu werden, wenn man darum werben muss, dass die Menschen zu einem kommen.
Es wäre doch am Ende recht einfach. Macht’s wie der Chef. Jesus hat sich doch auch Mühe gegeben irgendwie verständlich zu sein. Er hat den Leuten etwas mit Bildern und Begriffen erklärt, mit denen sie etwas anfangen konnten. Seine Zuhörer wussten, wer die Samariter sind und wie ein Senfbaum aussieht. Die wussten, wie die Nummer mit dem Sauerteig geht. Ey Leute, ich geh zum Bäcker, ich hab keine Ahnung, was man mit Sauerteig anstellen muss und wie das funktioniert. Wozu auch, es gibt sechs Bäcker rund um meine Wohnung.
Darf ich einen Deal vorschlagen: Sprecht doch einfach über Gott, wie ihr beim Bier sprecht. Dann ist das vielleicht noch nicht modern, aber immerhin mal wieder menschlich, nah und nicht zuletzt verständlich. Na denn, PROST!
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Update:
Ich sehe in den Zugriffszahlen, dass gerade tausende diesen Artikel lesen. Bei mir melden sich auch eine ganze Menge Theologinnen und Theologen. Die meisten lobend, einige aber auch stinksauer.
Richtig so! – Wenn man die Dinge auf den Punkt bringt – wenn man auf das zu Tode differenzieren verzichtet, dann entsteht Emotion und diese löst Handlungen aus.
Hätte ich jemanden erreicht, wenn ich ganz differenziert geschrieben hätte? Hätte es jemand geteilt, hätte Euch dieser Beitrag erreicht? Ich glaube kaum, und jetzt lasst uns gerne diskutieren.
Reaktion von katholisch.de (hier).
Reaktion von evangelisch.de (hier).
Hier noch mein Interview mit dem Domradio zu diesem Artikel: