Verantwortung braucht Identität
Die Piratenpartei streitet aktuell über die Pflicht zum Klarnamen auf der von ihr genutzten Diskussionsplattform „Liquid Feedback“. Eine solche Debatte muss die Piraten erschüttern, denn die rüttelt an der eigentlichen Freiheitsidee der Piratenpartei: Die Freiheit nicht ich selbst sein zu müssen.
Die Piratenpartei ist keine liberale Partei. Zu ihren Zielen zählt nicht, dem individuellen Handeln möglichst viel Raum zu geben. Auch der Begriff der Verantwortung ist den Piraten fremd. Denn beides, das individuelle Handeln in Wirtschaft und Gesellschaft und die individuelle Verantwortung für die eigenen Taten, hat einen positiven Begriff des Ichs zur Voraussetzung.
Liberales Gedankengut lebt von einem positiven Selbstbild. Dem Versuch die eigenen Ideen und damit sich selbst zu verwirklichen und sich darin von der breiten Masse abzuheben. Ein sich selbst in den Vordergrund stellen, um Lob und Ruhm oder Tadel und Kritik für die eigenen Taten zu ernten.
Dem entgegen steht der Freiheitsbegriff der Piraten. Eine Freiheit, die nicht die Möglichkeit des Handelns eröffnen will, sondern die Freiheit zu Vergessen fordert. Zuvor Getanes, bereits Gesagtes soll nicht erinnert werden.
Die Freiheit des Vergessens verknüpft sich dabei unmittelbar mit dem Selbstbild vieler Piraten. Viele Mitglieder der Partei teilen eine Biografie als Außenseiter, als verspottete Persönlichkeiten. Für all zu viele bot und bietet das Internet den Ausweg aus der Ausweglosigkeit. In der virtuellen Anonymität lassen sich Identitäten ablegen und neu erfinden, Ballast kann über Bord geworfen werden und die eigene Person neu starten. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist das Vergessen. Die Löschung einer Identität muss diese beenden und unverknüpfbar mit dem folgenden Neuen auf der Müllhalde des persönlichen Scheiterns zurücklassen.
Ein solcher Freiheitsbegriff, der aus einem negativen Selbstbild heraus geprägt ist, bringt keine verantwortungsbewusste Politik hervor. Denn unter dem Deckmantel der Anonymität werden Ideen entwickelt, für die einzustehen es keine Mutigen gibt. Nur selten beweisen Piraten Mut. Ponader und Schramm sind zwei vereinzelte Beispiele. Ihnen haftet fortan eine öffentliche Identität an, die sich nicht mehr ablegen lässt. Eine Identität, die sie zu Handelnden der Zukunft macht und zusehends von der Piratenpartei entfremdet.