Die Macht der schlechten Laune
ich bin so naiv und freue mich an glücklichen Menschen. Ich werde glücklich, wenn andere um mich herum zufrieden sind. Mich bereichern ausgeglichene Persönlichkeiten, die abends stolz auf das blicken, was sie geschaffen haben. Nicht, dass ich dies alles liebe, ist naiv, sondern dass ich gleichzeitig auch Politik betreibe.
In der Politik begegnet tagtäglich das Gegenteil. Menschen die sich ärgern, die größeres Verlangen, die sich übervorteilt fühlen oder hassen. Auf kurze Momente des politischen Triumpfes folgen stets steinige, lange, schmerzhafte Zeiten. Ich habe miterlebt, wie sich Freunde veränderten. Ich musste zusehen, wie sie sich zusehends verfolgt und verraten fühlten. Urvertrauen ins Vertrauen verloren.
Politik verändert Menschen. Wer kann schon lange ständige Missgunst ertragen? Nach der wievielten Selbstüberwindung zur moralisch fragwürdigen Handlung überwindet uns die schlechte Handlung selbst? Ein sich selbst verlieren, dass nicht erst im Bundestag beginnt. Wenn Ehrenamtliche ohnmächtig von anderen bedrängt werden, wenn erste Intrigen selbst gesponnen und erste Bösartigkeiten ertragen werden, greift Politik nach unserer innersten Moral. Das alles ist nicht Ausnahme, sondern politische alltägliche Erfahrung.
Ich kann nicht mehr zählen wie oft ich in den vergangenen Jahren das Telefon abnahm und mir Parteifreunde sagten, dass sie sich selbst verloren haben. Dass sie einsam sind, unglücklich auf schnellen Karrierewegen. Vieles opfert man dem Machtgewinn. Zeitsouveränität und Freunde, Gewissen und Freizeitinteressen. Parteien honorieren nur Präsenz, nicht Lebensqualität. Wer oft genug seine Omnipräsenz beweist, qualifiziert sich für den nächsten Posten. Die Frage, ob denn jemand gesunde Sozialkontakte unterhält, sich bildet, einen Abschluss macht, fest im Leben steht, wird nicht gestellt.
Zeit immer da zu sein, haben Menschen ohne Hobbies, ohne Freunde, ohne Beziehungen. Immer da ist, wer es erträgt sich mit schlecht gelaunten Geistern zu umgeben. Erfolgreich ist, wer die schlechteste Laune hat und sie kaschiert hinter Parteifolklore und der Mär von den Inhalten, für die man stehen will. Dabei drehen sich die Streitereien immer um die gleichen Parolen. Man rührt im Suppentopf der hohlen Phrasen, bis das Gericht so versalzen ist, dass der schlechte Geschmack dem Gegner zum Vorwurf gemacht werden kann.
Ich salze nur noch selten nach. Vor sechs Jahren wurde entschieden, dass ich das Spiel beenden und neu starten muss. Verzockt. Die beste Wette meines Lebens! Ich lächle heute noch darüber. Ich suche kein Amt, aber ich nehme nachts das Telefon noch ab, wenn Freunde zweifeln. Manche verlangen nach dem Salzstreuer, andere sind einfach müde.
Das Zynische ist wohl, dass Machtlosigkeit uns glücklich macht und damit Welt gestaltet wird von schlechter Laune.