CSU-Strategie: Verdammt, es klappt.
– ein brutales Lehrstück mit diversen toten Hasen –
Es macht mich wütend und ich fühle mich ohnmächtig angesichts der aktuellen Argumentation der CSU. Im Sommer die Maut und jetzt „wer betrügt, der fliegt“. Eine Kommunikation, die Ressentiments schürt, fachlicher Quatsch ist und das Schlimmste: Es funktioniert!
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die CSU-Politikern unterstellen, sie seien tumbe Bauern aus dem Bayernland. Einer meiner prägendsten ehemaligen Professoren ist ein leitender Stratege bei dieser Partei. Ich weiß wie sie arbeiten, ich weiß was sie können und es kotzt mich an. Warum? Weil die aktuelle Strategie des CSU Rumgebrülle so einfach, so klar und so durchdacht schlau ist.
Ein schlauer Satz meines Professors war immer: „Im Wahlkampf musst du bestimmen, worüber die Menschen reden.“ Eine Regel, die ich in meinen eigenen politischen Strategien immer beherzigt habe. Halte dem Gegner ein Stöckchen hin und lass ihn drüber springen. Weil ich das Stöckchen halte, weiß ich selbst vor dem Opponenten, worüber wir nun streiten werden. Ich bin besser vorbereitet und meine Kommunikation ist genauer auf dem Punkt, weil besser und schon länger geplant.
Eine solche Strategie funktioniert wie eine Treibjagd. Lärm, Hysterie, Blattschuss, Hase tot.
Im Sommer rief die CSU nach eigenen Verwandtschafts- und Justizskandalen plötzlich zur Treibjagd. Wohl geplant und lange vorbereitet präsentierte sie die „Ausländermaut“. Eine Politik, von der von Anfang an klar war, dass sie entweder nicht erfolgreich einführt werden kann, oder aber zu massiven finanziellen Verschiebungen zu Ungunsten der Kleinwägen führen wird. Alles egal, es war das Stöckchen, das sie der Opposition hinhielt, damit sie drüber springt und sie sprang.
Während die Jäger aus Umfragen wussten, dass wenig die Bayern so sehr ärgert wie die Österreichische Vignette, waren die Hasen gezwungen von europarechtlichen Bedenken zu sprechen. Niemand mag Europa, weil es in Europa immer Bedenken gibt, gegen das, was die Menschen wütend macht.
Im Wahlkampfbudget der CSU war die Maut von Anfang an eingeplant. Sie war strategisch entwickelter Höhepunkt. Über Jahre vorbereitet und mit Material und gut geschriebenen Pseudoargumenten unterlegt. Die Hasen in diesem Spiel mussten erst einmal die eigenen Finanzplanungen umstricken, um gegen halten zu können. Die passende Gegenargumentation mit einigem Hin und Her erst aufgebaut werden. Der Spielraum eng, Lärm, Hysterie, Blattschuss, Hase tot.
Es liegt in der Natur der Sache, dass eine solche Falle funktioniert. Sie ist das Resultat langfristiger Planung und sie konnte nur von der CSU aus der Regierung heraus gelegt werden. Der Vorwurf gilt also nicht der Opposition, sondern das Kompliment der Regierung. Hat die Treibjagd erst begonnen, bist du als Gegner machtlos.
Leidvoll hat die Opposition in Bayern das erlebt und leidvoll die CDU/CSU während den Koalitionsverhandlungen. Sigmar Gabriel hatte zur Treibjagd auf die Konservativen mit einem Mitgliedervotum geblasen.
Das Schönste an der politischen Treibjagd ist, zu sehen, wie der Gegner sich genau wie geplant verhält. Zu hören, wie es plötzlich lärmt und wie es zu Kurzschlussreaktionen kommt. Da kritisieren die einen die Verfassungsmäßigkeit von Mitgliedervoten, in München tobt Seehofer, die SPD-Führung sei nicht souverän und im Lauf der Tage merken sie alle, wie eng es um sie geworden ist und wie schlau die Falle war. Wie immer zu spät.
Das Schlimmste an der politischen Treibjagd ist, zu sehen, wie wir uns genau wie geplant verhalten. Zu hören, wie es plötzlich lärmt und wie es zu Kurzschlussreaktionen kommt. Da unterstellen wir Ausländerfeindlichkeit, während die Menschen sagen, dass Betrüger zu bestrafen, doch nicht feindlich, sondern gerecht sei. Da werfen wir mit Fakten um uns, die keinen interessieren, weil die Emotion obsiegt. Das innere Unbehagen gegen das Fremde ist wirkmächtiger, als die Arbeitsmarktstatistik.
Ich weiß genau, in welche Falle wir gerade rennen. Ich ahne, hinter welchen Büschen die Jäger sich verbergen. Ich bin schon wieder der Hase – Verdammt, es klappt.
Die CSU braucht aktuell ein Upgrade für ihr Image als Lokalpartei, die sich als Bollwerk gegen die Außenwelt präsentiert und sich allein um Bayern kümmert. Für die Landtagswahl hat sie dieses Image aufgebaut. Die Partei wollte mit nichts anderem, als mit dem Bayerischen Klein-Klein – oder um es Bayerischer zu sagen – Groß-Groß assoziiert werden. In der Landtagswahl hat dieses Bayerische Profil mit Maut und Flut zur absoluten Mehrheit gereicht. Doch jetzt kommt die Europawahl und die CSU ist dabei denkbar irrelevant. Wie klein wirkt doch die bayerische Regionalpartei angesichts der gigantischen Europäischen Union.
Nichts desto trotz, es gilt die Regel: „Im Wahlkampf musst du bestimmen, worüber die Menschen reden“. Und dabei ist es erstmal egal, wie laut geschimpft wird. Die CSU hat es geschafft. Sie hat erneut eine Politik ins Spiel gebracht, die dafür sorgt, dass alle Welt über die Positionen dieser Partei spricht, streitet, wütet. Es scheint beinahe, als sei die CSU die einzige Partei mit einer europapolitischen Forderung. Die einzige, die sich für dieses Thema interessiert. Alle anderen blicken nur auf Berlin.
Die CSU hat sich zum Mittelpunkt gemacht. Sie lockt den Gegner an und treibt ihn zusammen. Wir reagieren laut und hysterisch. Wir verlassen nicht den Wald, wir stürmen hinein. Leider auch ich selbst. Verdammt, es klappt – Lärm, Hysterie, Blattschuss, Hase tot.