Ihr seid so selbstgerecht!
Ach, wie es mich nervt. Da ist diese eine Partei, die allen anderen Parteien ständig etwas vor wirft. Da ist diese eine Partei, die für sich selbst die Moral gepachtet hat. Da ist diese eine Partei, die von sich selbst glaubt, sie wäre die große Neuerfindung der Demokratie. Dabei hat sie nur eines erfunden: Das professionalisierte Cybermobbing.
Marina Weisband, ehemalige Bundesgeschäftsführerin der Piratenpartei, bringt mich dieses mal zum bloggen. Warum? Weil sie mal wieder tut, was mir an den Piraten so unglaublich auf die Nerven geht: Sie ist mal wieder selbstgerecht.
„“Chaospartei“… Baut ihr mal in nur drei Jahren ohne Geld und fertige Strukturen neue Modelle demokratischer Beteiligung“ twittert sie hinaus in die Welt. Ja, sicherlich, es ist nicht einfach eine Partei zu gründen. Und ja, es ist nicht einfach ohne Geld eine Organisation aufzubauen. Aber kann dieses Argument alles entschuldigen?
Ich bin Mitglied der SPD. Und nein, ich bilde mir nicht viel darauf ein. Aber wenn ich kommunizieren würde, wie Mariana Weisband, dann müsste ich jetzt wohl im Jahr des Parteijubiläums twittern: „Baut ihr mal ohne demokratischen Staat, mit Verfolgern im Nacken, bei ständigen Verboten und mit Menschen, die kaum etwas zu Essen übrig haben, eine Partei auf.“ Leider kann ich es nicht, denn es sind 164 Zeichen. Das passt nicht in einen tweet. Dann denke ich es mir eben.
Mir geht es nicht darum die Piraten zu bashen. Aber ich habe einfach keine Lust mehr mir ständig anzuhören, unter welch schwierigen Bedingungen diese Partei aufgebaut werden müsste. Ich glaube sogar, dass in Deutschland eine Partei selten so einfach aufzubauen war, wie heute.
Wir leben in sicheren Zeiten. Es gibt keine Straßenschlachten. Es marschieren keine kaiserlichen Truppen auf und es werden nicht massenhaft Veranstaltungen der Demokraten von SA-Gruppen gestürmt, um die Redner tot zu schlagen. Die Leute haben Geld und können spenden, weil sie nicht hungern. Parteien werden einfach zur Wahl zugelassen, wenn sie die formalen Voraussetzungen erfüllen, weil wir in einer Demokratie leben, die meine Partei jahrzehntelang erst erkämpfen musste. Die Menschen haben Zeit für Engagement, weil sie nicht mehr Tag und Nacht pausenlos arbeiten müssen und das Netz erlaubt uns schnell und weitestgehend kostenfrei auch über weite Strecken zu kommunizieren.
Keine Partei – außer DIE LINKE und die PIRATENPARTEI – haben derart traumhafte Bedingungen für ihre Gründung zur Verfügung gehabt. Und beide Parteien sind trotzdem die Meister des gegenseitigen Beschimpfens, des innerparteilichen Hassens und des sich gegenseitig in der Presse Verleumdens geworden. Ich will der Partei DIE LINKE nicht unrecht tun. Gegen die Anfeindungen bei den Piraten ist bei denen noch Sandkastenspiel angesagt.
Ich bringe es mal auf den Punkt: In meiner Partei gibt es weitaus mehr unterschiedliche Positionen, Meinungen und Weltanschauungen, als in der Piratenpartei. Allein schon, weil wir viele tausend Mitglieder mehr sind. Und nein, wir sind uns sicherlich nicht alle einig. Aber wir gehen anders miteinander um – nicht immer nett, nicht immer friedvoll – aber zumindest haben wir uns Regeln gegeben. Regeln, die uns davor bewahren aufeinander los zu gehen.
Die Piraten geben sich solche Regeln nicht. Sie hassen, hetzen, kriegen einfach vor sich hin. Nein, Marina Weisband, das ist in meinen Augen keine Entwicklung neuer Modelle demokratischer Beteiligung, sondern schlicht eine Weiterentwicklung des Cybermobbings.